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Schreiben macht sich "nackich."
Laufen hat das Marathon-Abschlusstraining.
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Vom Laufen und Schreiben...
...berichtet diese Website. Zum einen geht es allgemein um eine der schönsten Nebensachen der Welt; das Laufen. Im Besonderen werden die Läufer des Delligser Lauftreffs "unter die Lupe" genommen. Wettkämpfe, Vorbereitungen, Homestories und mehr.
Dazu wird geschrieben. Über das Laufen, das Leben, die Liebe, und jedes andere Thema, das sich mit schwarzen Buchstaben auf weiße Seiten schreiben lässt.
Im Bereich "Laufen" findet ihr Wettkampfberichte und Aktuelles von den Delligser Läufern.
"Schreiben" wird euch mit ein wenig Lesestoff versorgen. "Link oder Leben" hält den ein oder anderen Tipp für Euch parat und macht auf interessante Seiten aufmerksam. Im "Gästebuch" könnt ihre berichten, wie Euch die Seite gefällt, oder auch nicht.
JUBILÄUM
25 JAHRE LAUFTREFF
Meine lieben Leser,
es gibt uns in diesem September seit 25 Jahren. Ich weiß nicht, ob ihr alle dachtet, dass wir so lange durchhalten werden. Ich, da bin ich ganz ehrlich, habe mir darüber nie Gedanken gemacht. Die waren immer nur beim nächsten Training und dem nächsten Wettkampf.
Ich habe mich hingesetzt und aufgeschrieben, warum wir laufen. Kann sein, dass der ein oder andere das gar nicht weiß, oder schon wieder vergessen hat.
In dieser Woche werdet ihr hier auf der Startseite die Geschichte von der "Seele" des Delligser Lauftreffs lesen. Jeden Tag gibt es da einen kleinen Lesehappen. Viel Spaß dabei.
Teil 1
Eine kleine Geschichte über das Laufen.
Es gibt den Lauftreff jetzt seit 25 Jahren. Eine verdammt lange Zeit. Von den damaligen Gründungsmitgliedern laufen heute gerade noch vier im Treff. Die lange Zeit sorgte für Verletzungen, Umzüge, andere Lebensentwürfe und auch Todesfälle. All das dezimierte uns letztendlich aber nicht, sondern veränderte uns „nur.“
So sehr, wie sich die Besetzungsliste unseres Bestsellers änderte, so beständig blieb doch der Markenkern der Gruppe. Es ging von Anfang an darum, ein Team zu bilden. Alle für Einen und Einer für Alle. Ohne Ausnahme. Das Ziel: Zusammen daran zu arbeiten, wie schnell man sich selbst und seine Freunde über die Marathondistanz von 42.195 Kilometern bekommt. Alle anderen Distanzen waren auch willkommen, spielten aber, wenn überhaupt, nur die zweite Geige.
Die Gruppe umfasste von Anfang an derart verschiedene Charaktere, das mir klar war, wir werden allesamt nicht zusammen alt. Es war dieses Marathonziel, das uns zusammenschweißte. Dem ordnete sich jeder unter. Natürlich gab es auch Diskussionsstoff und Streit. In jeder Gruppe, die auch nur über einen Funken Dynamik verfügt, muss es das geben. Doch all das regelte sich bei uns von selbst. Wer nicht, oder nicht mehr, in das Gefüge der Gruppe passte, verließ sie. Ohne Aufforderung. Ich empfand diese Gruppe dadurch immer als eine Art lebenden Organismus, der sich immer wieder selbst neu aufstellte.
Wertvolle Gruppenmitglieder gingen und wertvolle Gruppenmitglieder kamen dazu. So ein Glück ist nicht jeder Gruppe beschieden. Wie lange das noch funktioniert, weiß ich nicht. Ich bin auch nicht in der Lage Prognosen abzugeben. Ich weiß nur, dass wir Reisende nicht aufhalten und Läufer, die an unsere Tür klopfen, nicht abweisen.
Wir kamen 1998 aus dem Nichts und etablierten uns sehr schnell als regionale Größe. Bis heute hatten wir 14 Läuferinnen und Läufer, die den Marathon unter 3 Stunden gelaufen sind. Eine beachtliche Leistung für so einen Mini-Haufen, wie wir einer sind. Auch im Moment sind wir gut dabei. Gerade unsere Läuferinnen präsentieren sich seit kurzem als Siegerinnen von Marathonrennen.
Doch letztendlich ist es nicht diese sportliche Leistung, die sich nur in Zahlen ausdrückt. Es ist mehr. Viel mehr. Es geht um Freundschaft, Verbundenheit, das gemeinsame Erreichen von Zielen und die Weitergabe von Erfahrung. Wir wollen uns den Spaß von „blutigen Anfängern“ bewahren und dabei trotzdem hart und erfolgsorientiert trainieren. Viele von uns glaubten damals nicht, dass es funktionieren würde. Aber die Zeit hat die Möglichkeit unserer Vision bestätigt. Wie ich finde, sogar ziemlich eindrucksvoll. So ist heute, 25 Jahre später, Zeit für eine kleine Geschichte zum Thema Laufen im Delligser Lauftreff fällig. Bitte schön:
Gegen den Verzicht.
Warum laufen wir?
Ein Moment, wo ich ganz intensiv an die Frage dachte: „Warum laufen wir?“ war, als ich, vor ein paar Jahren, nach dem Helgoland Marathon, auf einer Bank vor dem Massageraum saß. Ich war nicht allein. Neben mir saß ein Psychiater aus Nordrhein-Westfalen. Ein guter Läufer. Ich kannte ihn aus vorherigen Starts auf Helgoland flüchtig. Er trug einen Arm in der Schlinge, das war mir schon beim Marathon aufgefallen. Als Radfahrer war mir klar, dass er wahrscheinlich einen Schlüsselbeinbruch hatte. Trotzdem war er den Marathon in einer guten Zeit gelaufen.
Ich fragte ihn: „Na, das Schlüsselbein gebrochen?“ Er antwortete: „Ja.“ Ich entgegnete: „Was sagt dein Arzt dazu, dass Du damit einen Marathon läufst?“ Er sagte: „Der hält das für keine gute Idee.“ Daraufhin sagte ich ihm, dass ich der gleichen Ansicht sei. Vor allem, weil es auf Helgoland so viele verschiedene Untergründe gibt, die eine Sturzgefahr erhöhen würden. Andererseits weiß ich, dass des Menschen Wille sein Himmelreich ist. Jeder muss wissen, was er tut. Wenn man erwachsen ist, darf man selbst und frei entscheiden.
Wir kamen ins Gespräch und ich stellte sehr schnell fest, dass wir beide zwar begeisterte Marathonläufer waren, aber der Antrieb für unseren Sport spielte sich in verschiedenen Universen ab. Ich erklärte ihm, dass ich Trainer einer Marathon-Laufgruppe bin und wir Verletzungen erst auskurieren, ehe wir in einen Wettkampf starten. Daraufhin startete er, sinngemäß, folgenden Monolog:
„Laufen macht dich gesund. Du darfst keine Pause machen. Im Gegenteil. Wenn du verletzt bist, musst du weiterlaufen, bis die Schmerzen wieder weg sind. Das Laufen heilt dich. Ich war vor kurzem auf einer Laufreise. Da sind wir jeden Tag zwischen 30 und 50 Kilometer gelaufen. Als ich dort hinkam, hatte ich arge Probleme mit meinen Achillessehnen. Doch durch das Laufen wurde das immer besser und nach zwei Wochen war ich wieder gesund. Nur durch das tägliche lange Laufen.“
Ich schaute ihn verwundert an und fragte mich, ob er mich verarschen will. Aber ein Psychiater verarscht einen doch nicht, oder? Also sagte ich: „Hm, das ist seltsam. Wenn ich verletzt bin und weiter trainiere, wird die Verletzung immer schlimmer. Ich kuriere mich aus. Nicht, dass ich gar nichts machen würde, aber ich unterlasse alles, was mir Schmerzen bereitet. Sollte Rad fahren oder Schwimmen gehen, mache ich das. Ansonsten ist Pause angesagt.“
Er schüttelte den Kopf und legte sofort wieder los: „Auf gar keinen Fall. Niemals pausieren! Nur das Laufen hält dich gesund. Dazu musst du dich natürlich auch noch sehr gesund ernähren. Das ist extrem wichtig. Und du musst Nahrungsergänzungsmittel nehmen. Ohne die geht gar nichts. Die sind für das Laufen superwichtig.“
Mist, dachte ich. Jetzt hat er mich. Das ist nämlich genau mein Thema. Darauf springe ich an, wie ein hungriger Löwe auf eine verletzte Antilope. Ich überlegte nicht lange: „Weißt du, ich trainiere seit über zwanzig Jahren Läuferinnen und Läufer. Ich würde sogar sagen, dass ich dabei ziemlich erfolgreich bin. Bei uns geht es in erster Linie um Leistung und den Marathon. Wir haben Läuferinnen, die laufen den Marathon zwischen 2:50 und 2:55 Stunden. Dazu sind bei uns Läufer, die es durch hartes Training auf Zeiten unter 2:40 Stunden gebracht haben. Die einzigen Nahrungsergänzungsmittel, die sie brauchen sind Äpfel, Bananen, Müsli, Wasser, ein Riegel oder einen Saft. Das reicht für diese Leistungen komplett aus. Der Rest, den uns die Nahrungsergänzungsmittelindustrie verkaufen will, halte ich für Schwachsinn und Geldmacherei. Meine Läufer wollen zwar wissen, wie schnell sie den Marathon schaffen. Dafür sind sie bereit einiges zu geben. Aber vor allem laufen sie, weil es ihnen Spaß macht und sie, wenn sie im Training sind, soviel Schokolade essen und Bier trinken können, wie sie wollen. Die denken bei einem harten 30 Kilometer Lauf schon ab Kilometer 20 an das eiskalte Weizenbier, das im Kühlschrank auf sie wartet.“
Er schaute mich an, als ob ich ihn gerade aufgefordert hätte ein Kind zu schlachten und anschließend im Backofen zuzubereiten. Dann brach es aus ihm heraus:
„WAS!?!? ALKOHOL!?!? Seid ihr verrückt!?!? Ihr dürft auf gar keinen Fall Alkohol trinken! Niemals! Das macht alles kaputt. Ihr denkt, Bier würde gut schmecken? Das ist ein Irrtum. Das ist eine Droge, die euch kaputt macht. Ihr müsst unbedingt Fruchtsäfte und Gemüse-Smoothies trinken. Wasser ist auch okay. Ich kann euch einen Gemüse-Smoothie machen, da würdet ihr dann merken, wie wunderbar der schmeckt. Und natürlich ist er für das Laufen gut. So müsst ihr das machen. Bloß keinen Alkohol.“
Okay, dachte ich. Es ist Zeit, dass Gespräch zu beenden. Der Typ hat sich echt auf Puls gebracht und vertritt hier seine Mission wie ein Heilsbringer. Ich werde ihm den Unverbesserlichen geben. Ich entgegnete: „Ich weiß, dass ein Smoothie gut schmeckt, aber, ganz ehrlich: Davon wird man nicht betrunken.“
In dieser Sekunde wurde mein Gesprächspartner zur Massage gerufen. Ende der Unterhaltung. Wobei ich dachte, wir hätten unseren Smalltalk ohnehin nicht fortgesetzt. Wir sprachen verschiedene Sprachen. Ich dachte: Wie wird man so? So komisch und verschwurbelt. Wobei… er denkt vielleicht dasselbe von mir. Egal.
Ich weiß nur, dass ich diese Laufgruppe, mit der ich unterwegs bin, nicht missen möchte. Kann sein, dass man auch in einer veganen, Gemüse-Smoothie liebenden, an die Heilkraft von dauerndem Laufen-Gruppe, Spaß haben kann, aber ich kann es halt nicht. Ich brauche Frauen und Männer um mich, die einen derben Spaß vertragen können, die beim Training an ihre Grenzen gehen und sie beim Wettkampf mit aller Kraft verschieben wollen. Die dabei aber nicht zu Asketen mutieren, sondern ihren Spaß auch an den schönen Dingen des Lebens haben. Die zusammen trinken, singen, lachen und von mir aus auch tanzen. Die wissen, wann Zeit für ein Bier ist und wann nicht. Die sich keinem strengen Diktat unterwerfen, das ihre Leistung vielleicht minimal verbessert, ihnen im Gegenzug dafür jedoch jede Menge Entbehrungen auferlegt. Während ich darüber nachdenke, stelle ich fest, dass ich genau von solchen Menschen in unserer Gruppe umgeben bin. Manchmal muss man einfach Glück haben.
Nicht das wir uns falsch verstehen; natürlich weiß ich, dass gesunde Ernährung ein Schlüssel ist, mit dem man noch ein kleines Rädchen in Sachen Leistung drehen kann. Ich weiß auch, dass zu viel Alkohol nicht guttut. Egal, wie gut er schmeckt. Letztendlich macht die Dosis, was Gift ist und was nicht. Würde mir das Schicksal einen Läufer oder eine Läuferin in die Gruppe spülen, der das Zeug zum Deutschen Meister oder noch mehr hätte, natürlich würde ich an allen Schrauben drehen, die es zu drehen gibt. Aber für einen guten Amateursportler ist das nicht notwendig. Der kann seine guten Zeiten laufen und genießen. Der darf auch gern mal Bier trinken und feiern. Solange er nicht raucht, werde ich ihm nicht reinreden. Auch das ist ein Erfahrungswert. Ich hatte in den letzten 25 Jahren viele Top-Amateurläufer in der Gruppe. Geraucht hat keiner von ihnen. Und selbstverständlich steht auch jedem Veganer die Tür zu unserer Gruppe ganz weit offen. Hier geht es ums Laufen, um nichts anderes. Wir haben schon früh gemerkt, dass der Kitt des gemeinsamen Laufens tatsächlich in der Lage ist, die unterschiedlichsten Charaktere für lange Zeit zusammenzukleben. Es sollte nur menschlich passen; mehr nicht.
Ich möchte allerdings niemanden in der Gruppe haben, der glaubt, dass eine bestimmte Schuhmarke, ein Bekleidungsstück, ein Lebensmittel, ein Nahrungsergänzungsmittel oder ein Medikament wichtiger für seine Leistung ist als hartes Training. Wer daran glaubt, sollte sich nach einer anderen Trainingsmöglichkeit umschauen…
Teil 2
Motivation
Man könnte doch auch auf dem Sofa sitzen, oder?
Könnte man. Gar keine Frage. Es gibt sogar sehr viele Menschen auf der Welt, die Tausend Mal lieber auf dem Sofa sitzen, als auch nur einen Schritt zu laufen. Ich sitze auch gern auf dem Sofa. Vor allem, wenn die Liebe meines Lebens neben mir sitzt, und das gelbrote Fellbündel, das auf den Namen Arkadi hört, zu unseren Füßen liegt. Am allerliebsten sitze ich, in genau dieser Konstellation jedoch auf dem Sofa, wenn ich vorher gelaufen bin.
Es mag an der Erziehung liegen, oder steckt einem einfach in den Genen. Ich bin ein Mensch, der sich die guten Dinge des Lebens gern verdient. Der etwas gibt und dafür etwas bekommt. Bei meinen Läufern stelle ich genau diese Eigenschaft ebenfalls fest.
Zum einen kann die Motivation für das Laufen darin bestehen, dass man sich verbessern möchte. Immer weiter und weiter. Bestzeiten jagen ist ein Sport, der süchtig machen kann. Allerdings sollte das nicht die einzige Motivation sein. Denn dann ist der Laufsport in dem Moment vorbei, wenn man sich nicht mehr verbessern kann. Für mich würde das bedeuten, dass ich seit über 15 Jahren schon nicht mehr laufen dürfte.
Ich habe es oben schon einmal erwähnt. Sich im Leben, was Ernährung angeht, keinerlei Beschränkungen auflegen zu müssen kann eine Riesenmotivation sein. Zu wissen, dass man all die Kalorien, die man verbrennt, durch Dinge, die einem ans Herz gewachsen sind, wieder auffüllen darf. Und ja, da gehören bei mir auch Schokolade und Bier dazu. Wie hat es der Sänger Thees Uhlmann einmal, sinngemäß, so schön gesagt: „Ich laufe nicht gern. Aber wenn ich laufe, denke ich schon an die Belohnung danach. Dann höre ich, kurz bevor ich zu Hause bin, die Bierflaschen schon im Kühlschrank Tango tanzen.“
Was für mich ebenfalls ein großer Motivationsmotor ist, sind die Läufe in der Gemeinschaft. Zu zweit oder in der Gruppe kann Laufen zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.
In der Zeit, in der man eine Bestmarke nach der nächsten knackt, kommt einem oft der Gedanke: „Wenn ich das nicht mehr schaffe, dann höre ich auf.“ Auch ich habe so gedacht. In meinem „ersten Sportlerleben“ als Fußballer, habe ich aus einem anderen Grund aufgehört. Ich stellte irgendwann fest, dass ich die Erwartungen, die ich an mich selbst hatte, nicht mehr erfüllte. Die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen war danach einfach nur logisch.
Beim Laufen sieht das, Gott sei Dank, völlig anders aus. Nachdem die Phase der Bestzeitenjagd vorbei war, bemerkte ich, dass mir auch langsameres Laufen Spaß bereitet. Seltsamerweise nicht weniger als zuvor. Ich genoss sogar einige Vorzüge des Umstandes, dass ich meine Topleistungen nicht mehr erbringen konnte.
War ich früher bei einem Trainingslauf gestartet, drückte ich die Stoppuhr und jagte los. Ich nahm die geplante Laufstrecke unter die Sohlen meiner Laufschuhe und rannte um mein Leben. Es gab kein rechts und kein links. Es gab kein zurück. Es gab nur den Blick nach vorn und den auf die Uhr. War ich dann wieder zu Hause, schlug mein Herz wie verrückt und nur die Zahlen auf meiner Uhr verrieten mir, ob dieser Lauf gut oder schlecht war. Ich war wie in einem Tunnel.
Jahre später lief ich meine alten Trainingsstrecken locker und entspannt. Ich sah traumhaft angelegte Gärten, künstlerisch bemalte Garagentore, architektonisch brillante Dacherker und Bachläufe die einem Märchenfilm entsprungen schienen. Immer wenn ich dann wieder zurück war und der Liebe meines Lebens von meinen „Entdeckungen“ berichtete, schüttelte sie nur den Kopf und sagte: „Das sah da schon immer so aus. Du hast es nur nie gesehen.“ Eine erschütternde, ernüchternde Wahrheit.
Wenn ich mich an meine schnellsten Rennen erinnere, so haben diese eine Gemeinsamkeit. Eine, die sehr viel mit positiver Motivation zu tun hatte. Wir waren immer in der Gruppe unterwegs. Diese Gruppe war groß und leistungsstark. Jeder von uns hatte seinen „Lieblingsgegner“ im eigenen Team. Vorzugsweise jemanden, der ungefähr gleich leistungsstark war, wo es bei einem Wettkampf nur auf Kleinigkeiten ankam, die entschieden, wer zuerst über die Ziellinie stürmen würde. Das trieb uns alle an, wie ein starker Motor. Genau da kommen wir zum nächsten Thema: Der Konkurrenz.
Teil 3
Konkurrenz
… noch immer belebt sie „das Geschäft.“
Konkurrenz ist in unserer Gesellschaft ein Wort, das oft negativ besetzt ist. Es geht um Kampf, Auseinandersetzung, Sieg und Niederlage. Konkurrenz bedeutet heute fast immer: Ja oder Nein. Schwarz oder weiß. Triumphieren oder Versagen. Es war eine der Sternstunden meines Trainerdaseins, als ich erkannte, dass man mit dieser Art von Konkurrenz im Laufsport nicht weit kommt. Hier sind ganz andere Dinge gefragt.
Du musst beim Laufen eines erkennen: Dein Konkurrent, selbst wenn er für dich ein verhasster, eingebildeter, mieser, elender Schuft ist, ist derjenige, der dafür sorgt, dass Du gute Leistungen bringst. Seine Anwesenheit kitzelt die fünf Prozent Leistungssteigerung aus Dir heraus, die Du im Training nicht imstande bist abzurufen. Er macht dir schnelle Beine und sorgt dafür, dass Du auf der Zielgeraden noch einmal alle Körner einsetzen kannst, von denen Du nicht mal wusstest, dass Du sie besitzt. Insofern musst Du deinem Konkurrenten dankbar sein und ihn nicht abfällig behandeln. Er ist ein Garant für deine Leistung.
In der eigenen Gruppe gibt es noch eine ganz andere Form von Konkurrenz. Die hat damit zu tun, dass man streiten und gönnen kann. Dass man alles in die Waagschale wirft, um den Teamkollegen hinter sich zu lassen, ihm aber gleichzeitig den Erfolg gönnt, wenn er an dir vorbeizieht. Und das nicht nur mit Worten, sondern von ganzem Herzen. Das hört sich zwiespältig an, ist es aber nicht.
Ein „echter“ Sportler schaut nicht auf eigene Befindlichkeiten, sondern nur auf die Leistung. Wenn es jemanden gibt, der eine bessere Leistung abliefern kann, als man selbst, ist es nur logisch, ihm das zu gönnen und ihm dafür zu gratulieren. Was nicht heißt, dass man ihn beim nächsten Mal nicht mit allem angreift, was man zu bieten hat. Irgendwo ist genau das der Kernpunkt des sportlichen Wettstreits. Alles für die eigene Leistung zu tun und anzuerkennen, dass ein anderer vielleicht noch ein bisschen mehr investiert hat. Sich darüber nicht zu ärgern, sondern es als Ansporn für die weiteren eigenen Anstrengungen zu nehmen, das ist ein Zeichen von echter sportlicher Größe.
Mit wem habe ich mich aus der eigenen Laufgruppe nicht schon alles auf der Laufstrecke beharkt. Da kommt eine lange Liste zusammen. Ich habe mich bei jedem dieser „Zweikämpfe“ gefreut, wenn ich ihn als Gewinner beenden konnte. Aber ich habe auch anerkannt, wenn ich zu Recht Zweiter war.
Diese Art von positiver Konkurrenz hat noch einen anderen Vorteil. Konkurrenten im negativen Sinne helfen sich nicht. Niemals. Konkurrenten, wie wir sie innerhalb unserer Laufgruppe kennen, stehen immer mit Rat und Tat zur Seite. Was muss ich trainieren, um noch schneller zu werden? Wie stärke ich meine Grundlagenausdauer? Was tue ich, um auf den letzten Kilometern des Marathons die nötige Tempohärte zu haben? Auf viele dieser Fragen haben die „Konkurrenten“ der eigenen Trainingsgruppe eine Antwort. Schließlich sind in einer Gruppe, die seit 25 Jahren unzählige von Marathons gelaufen hat, kaum Situationen vorstellbar, die nicht einer aus der Gruppe schon einmal erlebt hat. So müssen viele Dinge, vor allem schwere Fehler, nicht am eigenen Leib erlebt werden, sondern können von vornherein durch die Beratung von erfahrenen Läufern verhindert werden.
Es ist ganz genau diese Atmosphäre von positivem Streiten und Gönnen, die aus unserer Gruppe eine feste Größe in der Marathonlaufszene gemacht hat. Die meisten von uns denken nie darüber nach, aber: Darauf können wir stolz sein.
Teil 4
Die Liebe zum Laufen
Kann denn Laufen Sünde sein?
Ist Liebe nicht vielleicht ein zu großes Wort für eine sportliche Tätigkeit? Fragen sie mal einen bekennenden Läufer. Der wird ihnen sagen, dass das schon passt. Irgendwie. Man kann sein Herz an das Laufen verlieren. Das steht fest. Allerdings muss man aufpassen, dass es nicht allzu schlimm wird. Schließlich will man es auch wiederfinden. Manchmal ist es wie mit der Liebe zu einem Partner. Es muss ein Geben und Nehmen stattfinden. Alles andere nenne ich persönlich Affenliebe. Wenn Liebe zu einer Art Sucht wird und einer nicht mehr ohne den anderen kann, dass alles aber in einer Art Einbahnstraße stattfindet, dann sorgt das für ein garantiert unglückliches Leben.
Mit dem Laufen ist es ähnlich. Man darf es nicht übertreiben. Ihr wisst ja: Entweder ihr beherrscht das Laufen, oder das Laufen beherrscht euch. Der Spaß darf niemals verloren gehen. Wenn nur noch der Blick auf die Uhr, das Kämpfen um Sekunden, das immer weiter, immer schneller, immer öfter, im Vordergrund steht, geht langfristig alles komplett vor die Hunde.
Man muss seinen Lieblingssport hegen und pflegen, wie ein kleines Pflänzchen, aus dem einmal ein bärenstarker Baum werden soll. Die Ressourcen deines Körpers sind endlich. Egal, was bekennende „Sportverrückte“ dir auch einreden wollen. Je schonender du mit ihnen umgehst, desto länger werden sie halten. Die Dosis macht, was Gift ist und was nicht. Meine Liebe zum Laufen hat ein paar Jahre gebraucht, bis sie sich vom Wettkampf zu einem entspannten langen Lauf entwickeln konnte.
Auch in Sachen Liebe gilt: Sie ist am schönsten, wenn man sie nicht allein für sich hat. Mit einem Partner zusammen zu laufen, ist wesentlich schöner, als allein seine Runden zu drehen.
Und dann gibt es da noch die Menschen, die mit ihrer Liebe zum Laufen überhaupt nicht klarkommen. Ich habe in meinen 25 Jahren als Lauftrainer immer wieder beobachten können, wie Läuferinnen und Läufer, mit Wissen und Wollen, alles zerstörten, was sie so unsäglich liebten. Die liefen sehenden Auges in die Katastrophe und waren gegen jede Warnung von außen komplett immun. Das waren Menschen, die mir persönlich, wie „Junkies“ vorkamen. Sie hatten, so wie wir alle, mit kleinen Volksläufen angefangen und sich danach über einen Halbmarathon zum Marathon weitergearbeitet. Nicht selten standen danach Ultraläufe auf dem Plan. Irgendwann wurde es dann chronisch. Da stellte ich fest, dass diese Menschen nachts nicht schlafen können, wenn sie feststellen, dass in der Nähe ein Lauf ist, an dem sie, aus welchem Grund auch immer nicht teilnehmen können. Als Trainer checke ich gern Ergebnislisten von Läufen in der Region. Ich stellte dann fest, dass bestimmte Läufer wirklich jeden Wettkampf mitnahmen. Wenn möglich auch an einem Tag zwei Wettkämpfe absolvierten. Da wurden im Jahr Hundert Volksläufe, 20 Marathonrennen und 10 Ultraläufe unter die Sohlen der Laufschuhe genommen. Und all das im Modus „Volle Pulle.“ Schließlich wollte man gewinnen oder zumindest eine gute Platzierung erreichen. Wenn ich dann sagte: „Pass auf dich auf! Das ist zu viel!“ stieß das grundsätzlich auf taube Ohren. Es gibt Menschen, die halten so einen Dauerstress 10 Jahre aus. Manche kürzer, andere vielleicht auch länger. Allerdings habe ich sie über kurz oder lang alle „kaputt“ gehen sehen. Nicht etwa, dass die Belastungen abnahmen, nein, sie hörten ganz auf. Es ging einfach nicht mehr. Der Körper war am Ende. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Doch diese Art Liebe zerstört, was du niemals hergeben willst. Eine ganz bittere Pille.
Aus diesem Grund versuche ich „meinen“ Läufern die Liebe zum Laufen in meiner Version beizubringen. Ich möchte Morgen, Übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat und nächstes Jahr noch laufen. Genau aus dem Grund lege ich auch mal eine Pause ein. Egal, wie schwer es fällt.
Teil 4
Bis zum letzten Meter
Wie lange wird das noch gehen?
Als ich mit dem Fußballspielen aufhörte, tat ich das, weil ich die Erwartungen, die ich an mich selbst stellte, nicht mehr erfüllen konnte. Fußball ist allerdings etwas ganz anders als Laufen. Wenn es noch sportlich sein soll, ist beim Fußball irgendwann Schluss. Beim Laufen kann man bis ins hohe Alter gute Leistungen erzielen. Aber man muss sich anpassen. So, wie sich der Körper an einen Trainingsreiz anpasst, musst du deine Aktivitäten an dein Alter anpassen.
Ich vergleiche den Körper eines Läufers immer gern mit einem Auto. Es gibt einen Motor. Das ist deine Ausdauerfähigkeit, deine Möglichkeiten dich mit der Energie deines Körpers zu bewegen. Und es gibt eine Karosserie. Das sind all deine Sehnen, Muskeln und Knochen. Bei guter Pflege hält so ein Motor ziemlich lange. Die Karosserie, und mit ihr alle Verschleißteile, tun das jedoch nicht. Auf gar keinen Fall, wenn man sie über Gebühr beansprucht.
Der Unterschied zwischen dem Auto und dem Läufer ist, dass ich bei einem Auto alle Teile ersetzen kann. Beim Läufer ist das nur bedingt möglich. Dazu kommt noch, dass ein Auto-Ersatzteil die Funktion eines verbrauchten Teils zu 100 Prozent wiederherstellt. Bei einem neuen Knie, einer neuen Hüfte oder einem neuen Herz sieht das anders aus. Wo wir wieder bei dem Punkt wären, gut auf sich und seine eigenen Aktivitäten aufzupassen. Vor allem, wenn man noch lange laufen will.
Meine Mutter hat vor einigen Jahren zu mir gesagt: „Junge, warum läufst du denn so viel?“ Ich antwortete darauf: „Weil ich es kann! Irgendwann wird es von ganz allein vorbei sein.“ Diese Einstellung habe ich noch immer. Ich will versuchen, den Ritt auf der Rasierklinge so lange durchzuhalten, wie es geht. Ich will mich nicht zu sehr belasten, aber auch nicht in Übervorsicht verlieren. Ich will laufen, jeden Meter. Egal ob schnell oder langsam. Aber ohne Schmerzen. Und vor allem: Mit Freunden und jeder Menge Spaß. Ich will laufen, damit ich am Abend eine Tafel Schokolade und ein Weizenbier trinken kann, ohne auch nur einen einzigen schlechten Gedanken zu bekommen. Ich will nicht verzichten, um laufen zu können. Ich will laufen, um auf nichts verzichten zu müssen…
Thomas Knackstedt
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