... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.
Ein Wett- ohne Kampf.
Der Schloss Marienburg Marathon bildet in unserer Truppe seit Jahren den Abschluss der Wettkampfsaison. Für Bestzeiten eignet sich der schwere Lauf nicht. Ende November ist es kalt. Zumeist regnet es noch und die Strecke ist teilweise schlammig tief. Aber: Ein Wettkampf ist es ja doch. Schließlich kommen knapp 700 Läuferinnen und Läufer aus allen Teilen Deutschlands zur Burg und wollen sich dort untereinander messen.
Ich stehe bereits an der Tür, als Messer mich abholt. Wir haben Glück mit dem Wetter. Nach einer Woche Regen scheint heute die Sonne. Später werden wir feststellen, dass auch die Strecke im Wald deutlich besser war, als wir das befürchteten. Es sollte ein sonniger, sehr angenehmer Vormittag werden.
Nach gut einer halben Stunde erreichen wir Adensen. Wir parken in der Nähe der Sporthalle und gehen zur Startnummernausgabe. Die Straßen sind voller Läufer. Direkt an der Halle treffen wir auf Annike, Natascha, Jacqueline, Roman, Arne, Marco und Mario. Auch Sabine und Sigurd sind da. Die Stimmung ist, wie übrigens immer, bestens. Dieser Truppe ist die gute Laune einfach nicht auszutreiben. Wir holen die Startnummern, präparieren die Shirts und laufen uns noch einmal locker warm.
Mein Ziel für heute ist klar: Ich will mich nicht komplett verausgaben. Aber vor Messer und Roman im Ziel zu sein, wäre schon schön. Ich werde einfach mal schauen, was passiert. Der Startschuss schickt uns auf die Strecke. Im Sonnenschein nehmen wir den ersten Anstieg. Natascha, Annike, Mario, Roman und Marco entfernen sich nach vorn. Roman ist irgendwo hinter mir und Messer sehe ich 50 Meter vor mir. Schon bei dieser Steigung sortiert sich das Feld. Oben im Wald geht es auf einen wunderbar schmalen Trail. Dann hinunter an die Straße und danach den Steilanstieg zur Burg hinauf. Ich bin mit „gebremstem Schaum“ unterwegs. Den Berg hinauf kann ich Messer überholen. Das tut sich schon mal gut an. Oben im Wald ist die Strecke überraschend trocken. Sabine und Sigurd stehen an der Strecke und feuern uns an. Sehr schön! Am Waldrand passieren wir die Helfer mit der wattstarken Musikanlage. Die sind jedes Jahr an dieser Stelle. Die Jungs stehen auf AC/DC und Co. Da sehe ich zu, dass ich schnell weiterkomme. Es folgt noch ein kleiner Zwischenanstieg, dann geht es nach Adensen hinunter. Hier kann man es laufen lassen.
Im Ort sehe ich Kathrin und Arkadi. Ich kann Kathrin meine Handschuhe zuwerfen. Die brauche ich jetzt nicht mehr. Im Zielbereich, den wir noch einmal durchlaufen müssen, ist die Hölle los. Ich fühle mich gut und alles andere als erschöpft. Meine Taktik ab sofort ist, sich öfter mal umzudrehen und zu schauen, ob ich Messer oder Roman sehe. Solange ich die beiden nicht sehe, werde ich mir kein Bein ausreißen.
Als wir den Ort wieder verlassen, läuft ein jüngerer Läufer neben mich und fragt: „Bist du Thomas Knackstedt?“ Ich bin überrascht und antworte: „Ja.“ Dann sagt der junge Mann: „Ich bin doch Jens. Ich bin mit Udo zur Schule gegangen.“ Ich muss lachen. Das ist jetzt über 20 Jahre her. Ein Schulkamerad unseres Sohnes. Zufälle gibt es. Die nächsten Kilometer quatschen wir um die Wette. Jens will wissen, was Udo so macht. Ich will wissen, wie Jens zum Laufen gekommen ist und was er so macht. So geht das, sehr unterhaltsam, über knapp 3 Kilometer. Also so ein richtiger Wettkampf ist das jetzt eher nicht. Vielmehr eine laufende Unterhaltung. Soll mir aber recht sein. Ich schaue immer wieder mal nach hinten und sehe da keinen meiner beiden „Spezis.“
Jens entfernt sich dann noch vorn und ich laufe meinen Schritt locker weiter. Ich bin ziemlich entspannt, hätte ich da heute doch wesentlich mehr Stress erwartet. Die letzten Kilometer geht es über einen traumhaft schönen Wiesenweg am Waldrand und dann auf Asphalt, mit leichtem Gefälle, zum Ziel. Eigentlich ein Kindergeburtstag, aber heute leider nicht, denn: Bei Kilometer 18 schaue ich nach hinten und sehe, in nur 50 Metern Abstand, Messer. Verdammt! Wo kommt der denn her? Aber egal, ich habe noch genügend Treibstoff im Tank, um noch einmal Gas zu geben. Als ich aus dem Wald herauskomme, beschleunige ich auf dem Asphalt. Dass das noch geht, fühlt sich sehr gut an. Ich überhole noch ein halbes Dutzend Läufer. Auch an Jens ziehe ich vorbei. Bis ins Ziel laufe ich so schnell wie ich kann. Dabei denke ich: Wenn dich jetzt noch einer überholt, dann hat er sich den Platz vor dir mit Anstand verdient. Aber da kommt niemand mehr.
Im Ziel treffe ich auf meine schnellen Mädels und Jungs. Kurz nach mir fallen Messer und Roman ins Ziel. Die konnte ich mir gerade noch vom Leib halten.
Danach ist Glühwein angesagt. Die Zeiten werden ausgetauscht, die ersten Geschichten erzählt. Was höre ich da wieder alles? Unterwegs wurde gefilmt, kurz gestoppt, weil das Foto an der Strecke nicht geklappt hat. Es gab einen kleinen „Verläufer“ und jede Menge Spaß. Als ich am Abend die Fotos des Tages checke, sehe ich Roman, der ständig in die Kamera lacht und auch noch Herzchen mit den Händen formt. Au Backe! Das sind keine Wettkampf-Fotos. Ich weiß nicht, was mit diesen jungen Typen los ist. Wir Alten kommen mit diesem ganzen Event-Kram und der Wichtigkeit von Instagram und allem andern möglichen „Internet-Scheiß“ nicht mehr klar. Müssen wir ja auch nicht. Genau so wenig, wie sich die Jungen mit uns alten Säcken und ihren verstaubten Ansichten arrangieren müssen. Es ist schon alles okay so, wie es ist. Da darf der Roman auch mal ein Herzchen machen und ich freue mich trotzdem. Aber wenn er das bei einem Meisterschaftslauf macht, dann setze ich ihn auf die Transferliste…
Thomas Knackstedt