Schreiben und Lesen...

        

... das gehört zusammen wie gutes Training und ein schneller Wettkampf. Es muss aber nicht immer mit Laufen zu tun haben. Hier bekommt ihr jeweils eine Story angeboten, die sich ums Laufen dreht, oder auch nicht.


 

 




Die „Superfeuchten.“


So nannte mein ehemaliger Kollege Andi die Band stets. Na ja, kann man bei dem Namen „Wet Wet Wet“ schon mal drauf kommen. Es waren die späten Achtziger. Eine Zeit ohne Handys, wo Bands noch mit Albumverkäufen richtig Geld verdienen konnten. Die Gruppe war in Deutschland noch nicht besonderes bekannt, als wir ein Konzert in Hannover besuchten. Die Konzerthalle wurde mittlerweile abgerissen. Es war ausverkauft und das Publikum bestand hauptsächlich aus jungen Mädchen und Frauen. Was nicht unbedingt an der Musik, sondern eher am Sänger Marty Pellow lag.


Die Liebe meines Lebens und ich kannten jeden Song der Band und waren vom Live-Auftritt hin und weg, denn: Diese Band konnte live spielen! Es war seinerzeit tatsächlich noch möglich sich auf den Auftritt einer Musikgruppe zu konzentrieren. Kein Handykasper alberte mit seinem Smartphone vor deinem Gesicht herum. Es kam niemand zu spät. Während der Songs wurde maximal mitgesungen, ansonsten aber andächtig gelauscht oder getanzt. Ein Konzertbesuch war damals noch etwas ganz Besonderes. Jedenfalls aus unserem Verständnis heraus. Heute haben wir oft das Gefühl, dass Konzertbesucher eher halbherzig an Bord sind. Es wird gelabert, gefilmt, in den sozialen Medien schlaue Kommentare verbreitet oder sich unterhalten. Die Zeiten haben sich geändert.


Für Wet Wet Wet änderten sich die Zeiten 1994 als ihr Coversong -Love is all around- den Film -Vier Hochzeiten und ein Todesfall- musikalisch untermalte. Danach stieg der Song auf Platz 1 der UK-Charts und blieb 15 Wochen auf der Spitzenposition. Es folgte, was immer folgt, wenn der Erfolg wie eine große Tsunami-Welle über Künstler hereinbricht: Streit, Uneinigkeit, veritable Drogenprobleme und Trennung. Leider.


Der Sänger Marty Pellow verließ die Band und damit ging es vom hohen Sockel des Ruhms bergab. Kein Wunder. Einen Sänger wie Pellow zu ersetzen ist unmöglich. Das wäre so gewesen, als würde man versuchen Freddy Mercury bei Queen adäquat zu ersetzen. Wie soll das gehen?


Wet Wet Wet gibt es heute immer noch. Allerdings in anderer Besetzung. Der Grund, wieso ich plötzlich wieder an ihre Musik denke, ist, dass sie ein neues Album herausgebracht haben, auf denen die großen Hits der 80er und 90er Jahre fast nur mit Streichern begleitet werden. Natürlich hör ich da rein und bin positiv überrascht. Da kommen jede Menge Erinnerungen auf. Nichts markiert die Zeiten so wie es Musik kann.


Bild von Rachel Coyne aus Unsplash


Ich denke zurück und mir wird schwindlig, was die Anzahl der Jahre angeht. Unser Konzertbesuch ist mittlerweile 37 Jahre her und die Zeit bis heute scheint geradezu wie ein Wimpernschlag verflogen zu sein. Wo sind sie geblieben, die Tage, Wochen, Monate und Jahre? Diese Frage zu beantworten ist allerdings einfach. Ich könnte Tausend Erinnerungen aufzählen, die unser Leben in dieser Zeit bereichert haben. Aber die Zeit läuft nur in eine Richtung. Das sollten wir uns jeden Tag vor Augen führen.


Nachdem mir das alles durch den Kopf gegangen ist, überlege ich, dass unten, in unserer alten Wohnstube, noch immer ein großes Regal mit Hunderten von CDs steht. Es sollte mich nicht wundern, wenn da irgendwo auch ein Best Of Album von Wet Wet Wet dabei ist. Ich bin praktisch auf dem Sprung, um neuen Mehl einzukaufen. Bis zur alten Mühle hin und zurück sind das 25 Kilometer. Da könnte ich im Auto die Zeit von damals wieder auferstehen lassen. Eine Minute später stehe ich schon vor dem Regal und brauche nicht lange zu suchen: Da steht es! Wusste ich doch!


Im Wagen drehe ich die Lautstärke ordentlich hoch und singe jeden Song mit. Verrückt, man vergisst die Zeilen von damals nicht. Die sind noch immer irgendwo im Speicher unseres Denkens eingebrannt. Während ich so durch die Gegend fahre, überlege ich mir, diese kleine Geschichte aufzuschreiben. Genau aus diesem Grund könnt ihr sie jetzt hier lesen.



Thomas Knackstedt